• Weinberg in der Champagne. Foto: 80 GRAD

Champagner Guide-Blog


Tagebuch eines Winzers: Mai 2020

Anfang Mai herrschten mildere Temperaturen und es kamen endlich Niederschläge, die vor allem für die Jungpflanzen dringend benötigt wurden. Ausgewachsene Weinstöcke können dank ihren sehr langen Wurzeln auch Perioden längerer Trockenheit gut überstehen, indem sie über den Kapillareffekt des porösen Kalkbodens das Grundwasser auch aus mehreren Metern Tiefe aufsteigen lassen können. Pünktlich zu den Eisheiligen hatten wir zwischen dem 11. und 15. Mai noch sehr niedrigere Temperaturen morgens, die jedoch zum Glück über dem Gefrierpunkt lagen und deshalb keine Frostschäden anrichteten. Das Wachstum der Weinstöcke wurde dadurch verlangsamt, was uns genügend Zeit ließ, um das Ausgeizen bis zum 19. Mai abzuschließen.

Ab Mitte Mai hatten wir wieder fast hochsommerliches Wetter mit viel Sonnenschein und Temperaturen bis zu 30 Grad. Dies in Verbindung mit den Niederschlägen der vorherigen Wochen ließ die Weinberge wieder stark wachsen, weshalb wir nach dem Ausgeizen nahtlos in das Hochbinden der Weinstöcke übergingen. Dabei werden Drähte, die wir nach dem Anbinden im April auf den Boden gelegt haben, wieder an Pfosten befestigt, an einer dem Wachstum der Weinstöcke entsprechenden Höhe. Dadurch werden die neuen Triebe, die in diesem Stadium noch sehr empfindlich sind, zusammengehalten und brechen so bei zum Bespiel starkem Wind nicht ab. Gleichzeitig schneiden wir mit einer Art Heckenschere die Spitzen der schon am meisten gewachsenen Triebe ab, um deren Wachstum zu verlangsamen und ein gleichmäßiges Wachstum der Triebe zu bewirken.

Vollblüte und Klimawandel

Um den 20. Mai setzte bereits die Blüte ein und um den 29. Mai war die Vollblüte erreicht. Die Vollblüte ist für uns ein wichtiger Indikator für das voraussichtliche Datum der Weinlese. Man sagte bisher, dass die Weinlese ca. 90 Tage nach der Vollblüte stattfindet, heutzutage spricht man aufgrund des Klimawandels eher von 80-85 Tagen. Angesichts der Tatsache, dass das Durchschnittsdatum der Weinlese der letzten 10 Jahre um den 10. September lag und wir dieses Jahr eine Weinlese Ende August erwarten, kann man dieses Jahr von einem sich stark im Voraus befindlichen Wachstumszyklus sprechen. Unser ehemaliger Arbeiter, der nach über 40 Jahren Betriebszugehörigkeit vor ein paar Jahren in Rente ging, erzählte mir, dass die Weinlese regelmäßig erst Ende September begann und teils bis in den Oktober gelesen wurde. Dass sich in nur einer Generation das Durchschnittsdatum um mehrere Wochen nach vorne verschoben hat, macht uns den Klimawandel sehr bewusst und sollte uns alle nachdenklich stimmen.

Weitere in diesem Monat anfallende Arbeiten in den Weinbergen waren das Schützen der Jungpflanzen mit einer Plastikhülle gegen Kaninchenfraß und der Beginn des Pflanzenschutzes gegen Mehltau und Oïdium, zwei Pilzkrankheiten, welche die Reben bis zum Beginn der Reife befallen können. Auch führten wir kleinere Reparatur- und Schweißarbeiten an unserem Weinbergschlepper aus. Grundkenntnisse in der Mechanik sind für einen Winzer sehr hilfreich, gerade in diesem Monat, wo viele Reparaturwerkstätten noch geschlossen sind oder mit langen Wartezeiten zu rechnen ist.

Flaschenabfüllung

Im Weinkeller stand in diesem Monat der zweitgrößte Arbeitsschritt nach der Weinleise an: die Flaschenabfüllung. Nachdem wir sie bereits zweimal aufgrund des COVID-19 verschieben mussten, konnten wir sie endlich am 11. Mai durchführen, dem Tag an dem viele Ausgangsbeschränkungen in Frankreich aufgehoben wurden. In den beiden Wochen vor der Abfüllung sind jedoch noch mehrere Arbeitsschritte durchzuführen. Zuerst werden die verschiedenen Grundweine nach denen im März bei der Assemblage festgelegten Proportionen in einem großen Tank vermählt und danach in einen speziellen Tank gegeben und über mehrere Stunden auf ca. -4 Grad abgekühlt. Dieser Vorgang heißt Kaltstabilisierung. Er ruft eine Weinsteinbildung (Kaliumhydrogentartrat) hervor, welcher im Anschluss herausgefiltert wird. Dadurch wird verhindert, dass der Champagner später auf der Flasche Weinsteinkristalle bildet, was geschmacklich keinen Einfluss hat, aber optisch nicht sehr ansehnlich ist und beim Öffnen der Flasche ein starkes Schäumen zur Folge haben könnte.

Knapp eine Woche vor der Abfüllung wird begonnen, Hefe zu züchten und es wird Zucker in einem Grundwein aufgelöst. Am Tag vor der Abfüllung wird dann die Hefe und das Wein-Zucker-Gemisch (Liqueur de Tirage) in einem exakt vorgegebenen Verhältnis den verschiedenen Assemblages zugegeben und während der Abfüllung ständig mit einem Rührgerät vermischt, damit die Verhältnisse in der Flasche identisch sind. Unterschiedliche Verhältnisse würden dazu führen, dass zu wenig oder zu viel Druck in der Flasche entsteht, was bei letzterem Fall zum Platzen der Flaschen führen könnte. Deshalb ist es bei diesem Vorgang besonders wichtig, sehr genau zu arbeiten.

Flaschengärung

Während der Abfüllung werden die Flaschen mit einem hermetischen Kronkorken versehen. Anschließend werden die Flaschen im Weinkeller gelagert, in welchem in den folgenden vier bis sechs Wochen die Flaschengärung stattfindet, das heißt die zugegebene Hefe wandelt den zugegebenen Zucker wieder in Alkohol und CO2 um. Da das CO2 dieses Mal wegen dem Kronkorken nicht entweichen kann, bleibt es in der Flasche gefangen und bildet so auf natürliche Weise die „Perlage“, was dem Champagner diese angenehme Feinperlichkeit verleiht - im Gegensatz zur Drucktankmethode, bei welcher das CO2 direkt bei der Flaschenabfüllung „künstlich“ dem Schaumwein zugegeben wird. Diese Methode ist in der Champagne untersagt.

Zu den Neuheiten in diesem Jahr gehört bei uns ein Champagner „Rosé saignée“. Im Unterschied zum klassischen Rosé in der Champagne, welcher eine Vermählung von Weiß- und Rotwein darstellt, wird beim Rosé saignée der Traubenmost beim Keltern in Kontakt mit der Schale der Trauben gelassen, in welcher sich die roten Farbstoffe befinden. Je nach gewünschter Verfärbung wird der Traubenmost nach ca. 12-24 Stunden abgelassen und hat so eine rosa bzw. leicht rötliche Färbung erhalten. Die Schwierigkeit dabei ist es, genau die gewünschte Farbe zu bekommen, da der exakte Zeitpunkt je nach Reifegrad und Konzentration der Farbstoffe in den verschiedenen Jahren unterschiedlich sein kann. Dafür bewahrt man bei dieser Methode mehr Frucht und Intensität im Geschmack. Wir sind schon sehr gespannt auf die ersten Verkostungen der fertigen Flaschen in ein bis zwei Jahren!

Mit Hilfe einer angemieteten Maschine konnten wir dieses Jahr an einem Tag ca. 25.000 Flaschen abfüllen. Am Folgetag füllten wir noch von Hand die Jeroboam Flaschen (3 Literflaschen) ab, die aufgrund ihres Formates nicht mit der Maschine abgefüllt werden konnten. In den Folgetagen stellte ich noch den „Liqueur d‘Expedition“ her, ein Zucker-Wein-Gemisch ähnlich dem Liqueur de Tirage, welcher aber zur Dosierung während dem Degorgieren verwendet wird.

Was den Verkauf betraf, so durften wir ab dem 11. Mai mit Aufhebung der Ausgangssperre wieder Kunden für Verkostungen empfangen, doch hatten wir aufgrund der weiterhin geschlossenen Grenzen nur sehr wenige Kunden vor Ort. Der Versand per Transporteur nahm jedoch wieder merklich zu.

Zertifizierung

Ende des Monats hatten wir eine erste Bestandsaufnahme was unsere angestrebte Zertifizierung „Viticulture durable en Champagne“ (nachhaltiger Weinbau in der Champagne) betrifft. Da wir schon seit vielen Jahren nachhaltigen Weinbau betreiben, wollen wir mit dieser Zertifizierung unsere Arbeit unter Beweis stellen und eventuelle Schwachpunkte aufdecken und verbessern mit dem Ziel, gesunden und umweltschonenden Champagner herzustellen. So haben wir zum Beispiel in den letzten Jahren schon mehrere Voraussetzungen geschaffen, wie die Investition in einen hydraulischen Stockräumer zur Vermeidung von Herbiziden und die Verwendung von Pheromondispensern anstelle von Insektiziden zur Bekämpfung des Traubenwicklers.

Der Traubenwickler ist ein Falter, welche seine Eier auf Trauben ablegt. Die geschlüpfte Raupe bohrt sich in die Traube und schafft damit Löcher, welche Pilzkrankheiten wie dem Botrytis (Grauschimmel) Zugang zu den Trauben verschafft und diese zerstört. Zur Paarungszeit findet das Männchen den weilblichen Falter anhand von ausgestoßenen Pheromonen. In den Pheromondispensern, welche wir im April ausgebracht haben, befinden sich diese Pheromone und sättigen die Luft damit, so dass das Männchen die weiblichen Falter nicht mehr orten kann und damit keine Paarung und Eiablage mehr stattfindet. Der Vorteil bei dieser Methode ist, dass andere Insekten damit nicht beeinflusst werden.


Impressionen

Champagne G. Brunot: ausgeizen. Foto: Champagne G. Brunot

Champagne G. Brunot: ausgeizen. Foto: Champagne G. Brunot

Champagne G. Brunot: Weinstock vor dem Hochbinden. Foto: Champagne G. Brunot

Champagne G. Brunot: Weinstock vor dem Hochbinden. Foto: Champagne G. Brunot

Champagne G. Brunot: Weinstock nach dem Hochbinden. Foto: Champagne G. Brunot

Champagne G. Brunot: Weinstock nach dem Hochbinden. Foto: Champagne G. Brunot

Champagne G. Brunot: blühender Weinstock. Foto: Champagne G. Brunot

Champagne G. Brunot: blühender Weinstock. Foto: Champagne G. Brunot

Champagne G. Brunot: austreibende Jungpflanze. Foto: Champagne G. Brunot

Champagne G. Brunot: austreibende Jungpflanze. Foto: Champagne G. Brunot

Champagne G. Brunot: Flaschenabfüllung. Foto: Champagne G. Brunot

Champagne G. Brunot: Flaschenabfüllung. Foto: Champagne G. Brunot

Champagne G. Brunot: Kaltstabilisierung. Foto: Champagne G. Brunot

Champagne G. Brunot: Kaltstabilisierung. Foto: Champagne G. Brunot

Champagne G. Brunot: Liqueur de Tirage. Foto: Champagne G. Brunot

Champagne G. Brunot: Liqueur de Tirage. Foto: Champagne G. Brunot