Aufgrund der starken Hitze Ende Juli gab es erste Anzeichen in Form von verwelkenden Blättern, dass die Jungpflanzen zu stark unter der anhaltenden Trockenheit leiden. Deshalb hatten wir uns entschlossen, dass wir diese bewässern, was in der Regel sehr selten notwendig ist. In der Champagne dürfen auch nur Jungpflanzen bewässert werden, die noch nicht geerntet werden dürfen (bis zum zweiten Jahr ab Bepflanzung).
Jede Menge Vorbereitung vor der Lese
Außerdem stand in den Weinbergen noch vor dem Urlaub das Pflügen und Mähen mehrerer Parzellen auf dem Programm, sowie das stichprobenartige Zählen der vorhandenen Reben, um die ungefähre Erntemenge abzuschätzen, was wiederum dazu dient, die Anzahl der benötigten Erntehelfer abzuschätzen. Zudem begannen wir schon die Weinlese vorzubereiten, indem wir unsere Traubenpresse und Waage überprüfen ließen. Was den Verkauf anbetraf, so hatten wir mehrere Privatkunden zu Besuch und den Besitzer einer italienischen Wein- und Champagnerbar, ein interessanter, potentieller Kunde. Anfang August wurden auch die ersten Proben in den Weinbergen entnommen und die ersten Resultate bestätigten unsere Vermutung, dass aufgrund der anhaltenden hohen Temperaturen die Weinlese dieses Jahr sehr frühzeitig sein wird. Deshalb entschlossen wir uns, unseren Sommerurlaub in diesem Jahr auf eine Woche Mitte August zu beschränken. Auf dem Weg in den Urlaub belieferten wir noch unsere Kunden in Süddeutschland und Österreich.
Während unseres Urlaubs erfasste eine weitere Hitzewelle die Champagne, was zur Folge hatte, dass wieder ein (dieses Mal zum Glück etwas kleinerer) Anteil der Trauben verbrannte und auch die Öchslewerte in einer bisher noch nie gemessenen Geschwindigkeit anstiegen. Gleichzeitig nimmt aber auch die Säure stark ab, welche auch wichtig für den Champagner ist, da sie ihm seine Frische verleiht. Deshalb begannen wir auch gleich nach dem Urlaub mit den Vorbereitungen für die Weinlese. Der erste Schritt bestand darin, aus einer repräsentativen Anzahl von unseren Parzellen Proben zu entnehmen, um den Zuckergehalt und die Säure zu messen. Die Ergebnisse bestätigten unsere Vermutung, dass der Reifegrad der Trauben sehr weit vorgeschritten war. Anhand dieser Werte, verbunden mit den vorhergesagten Temperaturen und unserem Erfahrungsschatz legten wir das Startdatum der Weinlese fest und informierten auch gleich unsere Erntehelfer darüber.
In den Weinbergen bestand jetzt die Hauptaufgabe darin, diese noch einmal mit dem Blattschneider zurückzuschneiden, damit die Laubwand nicht zu dicht ist. Dadurch sind die Trauben leichter für die Pflücker sichtbar und man vermeidet Pilzkrankheiten. Denn durch den abnehmenden Säuregehalt werden die Trauben in diesem Stadium immer anfälliger für den Botrytis cinerea (der Grauschimmelfäule), welcher, wie der Name schon sagt, die Trauben verschimmeln ließe. Aufgrund der anhaltenden Trockenheit hatten wir aber dieses Jahr keine Probleme damit.
Reichlich Arbeit gab es nun auf dem Weingut und auch im administrativen Bereich wie zum Beispiel das Anmelden aller Erntehelfer oder das Vorbereiten der Gemeinschaftsräume und aller notwendigen Materialien (Körbe, Rebenscheren, Regenschutzkleidung usw.). Durch die weiter anhaltende Ansteckungsgefahr des COVID mussten wir auch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen einführen, wie das Einhalten der Abstandsregeln und der Maskenpflicht, sowie das regelmäßige Desinfizieren der Gerätschaften, sanitären Einrichtungen und Gemeinschaftsräumen. Weitere Vorbereitungen bestehen darin die Presse, Schläuche und Tanks zu reinigen, verschiedene Materialien zu montieren und alle Fahrzeuge noch einmal zu warten. Wie so häufig gab es dabei auch ein paar kleinere Reparaturarbeiten durchzuführen. Kurz vor der Weinlese haben wir noch einmal Proben von allen Parzellen entnommen und anhand dieser Resultate die Reihenfolge festgelegt, in welcher die Parzellen entsprechend ihrem Reifegrad geerntet werden sollen.
Die Traubenlese beginnt
Am 25. August war es dann soweit, wir begannen die Weinlese. Während Nathalie mit den Erntehelfern sich um das Pflücken der Weintrauben kümmerte, war ich hauptsächlich an der Weinpresse und im Weinkeller, um mich um das Keltern der Trauben und die weiteren Weinherstellungsprozesse zu kümmern. Die Trauben werden vorschriftsgemäß alle von Hand gelesen, wobei man sie zuerst in kleine Körbe gibt und sie danach in größere Kisten kommen, welche mit Hilfe unseres Traktors zum Champagnergut gebracht werden. Dort werden sie zuerst gewogen und dann sortenrein gekeltert. Das Keltern erfolgt mit Hilfe einer in der Presse integrierten Membran, welche mit Hilfe von Luftdruck immer stärker aufgeblasen wird und dabei die Trauben presst. Wichtig ist es dabei, dass der Druck sehr gering bleibt, um nicht die Farbstoffe in der Haut und die Bitterstoffe in den Kernen zu extrahieren.
Die erste Gärung
Der gekelterte Most wird dann in einen Tank gepumpt, wo er eine Nacht gelagert wird, damit der Trub sich absetzt. Der dadurch geklärte Most wird am nächsten Tag vom Trub getrennt und es wird Hefe zugesetzt, womit der Gärungsprozess in Gang gesetzt wird. Der Gärungsprozess besteht darin, dass die Hefe den im Most befindlichen Zucker umwandelt in Alkohol und Kohlendioxid. Da die Tanks offen sind, kann das Kohlendioxid entweichen, so dass nach Abschluss des Gärungsprozesses ein Stillwein (Weißwein) entsteht. Die Dauer des Gärungsprozesses hängt stark von der Temperatur ab. Idealerweise sollte diese bei ca. 18 bis 20 Grad Celsius liegen, da zu hohe Gärungstemperaturen die Aromen zu stark verändern können und zu geringe Temperaturen den Gärungsprozess stark verlangsamen oder sogar stoppen können. Deshalb überprüfen wir regelmäßig während des Gärungsprozesses den Zuckergehalt und die Temperatur des gekelterten Mostes, um eine gleichmäßige Gärung zu erreichen. Unsere thermoregulierten Tanks können dies gewährleisten. So sind in der Regel nach circa 10 Tagen die Gärungsprozesse in den Tanks abgeschlossen.
Zu den weiteren Aufgaben während der Weinlese gehört auch das regelmäßige Reinigen der Materialien, das Entladen und Wiegen der Trauben, sowie das exakte Registrieren der Erntemengen und eine genaue Buchführung über die einzelnen Arbeitsschritte. Letzteres ist wichtig für die Nachweisbarkeit im Falle einer Kontrolle (zum Beispiel durch den Zoll) und für die genaue Nachvollziehbarkeit der Mischungsverhältnisse in den einzelnen Tanks, was wiederum sehr wichtig ist für die spätere Erstellung der Assemblage. Die Weinlese ist auch die Zeit, in der wir unseren Ratafia Champenois herstellen, indem wir Traubenmost vom Ende der Pressung (maximal 116 Liter pro Pressung) mit dem im Januar gebrannten Trester mit Hilfe eines Rührwerks vermischen. Für die diesjährige Herstellung verwendeten wir den Most der Pinot Noir und Pinot Meunier Trauben, jeweils zur Hälfte.
Trotz dieser für uns arbeitsreichsten Zeit im Jahr bleibt die Zeit für ein gemeinsames Glas Champagner mit den Erntehelfern am Ende des Tages und gemütliche Momente während dem gemeinsamen Essen oder abends nach getaner Arbeit. Am festlichsten ist der letzte Tag der Weinlese, den wir am Abend mit einem gemeinsamen Essen (dem sogenannten „cochelet“) mit allen Erntehelfern abschließen und an welchem manchmal bis spät in die Nacht gemeinsam getanzt und gefeiert wird.