Warum Champagner nicht geschüttelt, aber gedreht wird
Kaum jemand kommt auf die Idee, eine Champagnerflasche mit Absicht zu schütteln, wenn er sie anschließend noch genießen möchte. Das Drehen und Rütteln hingegen gehört zum unerlässlichen Schritt auf dem Weg zum Genuss. Wie kommt das?
Champagner lagert lange auf seiner Feinhefe, die mit dem Wein in die Flasche geschlossen ist um während der Zweitgärung die charakteristischen Perlen zu produzieren. Jahrgangsloser Non-Vintage Champagner verbringt mindestens 15 Monate oder mehr mit der Hefe, für Vintage Champagner sind mindestens 36 Monate vorgeschrieben. Doch viele Produzenten geben dem Champagner aus qualitativen Gründen wesentlich mehr Zeit. Diese Phase verbringen die Flaschen in dunklen Kellern mit konstant kühlen Temperaturen “sur latte”, also liegend aufgereiht und mit dünnen Holzlatten sorgfältig aufeinander gestapelt.
Bereits in den ersten Wochen nach der Einlagerung hat die Hefe ordentliche Arbeit geleistet und fleißig Kohlensäure produziert, die sich mit steigendem Druck gleichmäßig in der Flüssigkeit verteilt. Nachdem sie ihren Dienst vollbracht und den letzten Zucker zu Alkohol umgewandelt hat, stirbt die Hefe ab. Doch auch wenn sie keine aktive Funktion mehr hat, haben ihre Partikel im weiteren Lagerverlauf noch enorme Einwirkung auf den Champagner. Im “Autolyse” genannten Prozess trägt sie dazu bei, dass ein zu Beginn recht verhaltener Grundwein sich zu einem charaktervollen Champagner entwickelt, vollere und intensivere Aromen zeigt. Ist das Ende der angestrebten Lagerzeit erreicht, wird das Hefepartikel-Depot, das den Champagner mit Schlieren trübt, entfernt. Der Vorgang heißt im Französischen "Remuage" und bezeichnet das Rütteln und Drehen der Flaschen in einem bestimmten Turnus. Ziel ist es, die in der Flasche verteilten Hefe-Partikel nach und nach in den Flaschenhals zu bewegen.
Früher waren es spezialisierte Mitarbeiter, die Remueurs, die diesen Prozess händisch und nach striktem Handbewegungs-Plan von Tag zu Tag mit viel Fleiß erledigten. Sie stellten die Flaschen von ihrer ursprünglich horizontalen Lagerposition leicht geneigt in ein Gestell, das so genannte Rüttelpult, bewegten sie fortan in regelmäßigem Abstand und richteten sie immer weiter aufwärts bis sie zum Schluss kopfüber standen. So kam der Hefesatz immer wieder in Bewegung und wurde sanft im Flaschenhals gesammelt, aus welchem man ihn dann später entfernen konnte.
Das Rütteln ist ein langwieriges und wegen der Handarbeit äußerst zeitintensives Vergnügen, weshalb es seit den 1970ern durch Maschinen ersetzt wurde, welche die Rüttelbewegungen imitieren. Remueurs gibt es heute nur noch selten zu sehen – meist zu Repräsentations- und Vorführungszwecken alter Traditionen als in tatsächlicher Beschäftigung. Was früher gute 6 Wochen dauerte, kann dank der "Gyroplattes" genannten maschinellen Unterstützung heute in knapp 3 Tagen erreicht werden. Ein großer Vorteil für alle Champagnertrinker, die so schneller die nächste Flasche öffnen können!
Dieser Text wurde zuerst auf www.gouttesgouts.com veröffentlicht.